Geplante EU-Plattformregulierung

Die EU-Kommission hatte in ihrer Strategie für den digitalen Binnenmarkt bereits vor einem Jahr angekündigt, die rechtlichen Rahmenbedingungen von Online-Plattformen überprüfen zu wollen. Nach Durchführung mehrerer Studien, einer Anhörung sowie einer öffentlichen Konsultation wird Ende Mai die Veröffentlichung eines Berichts erwartet, in dem die geplanten Maßnahmen näher erläutert werden. Aus verschiedenen Quellen lassen sich die Eckpfeiler der Plattform-Strategie schon jetzt ableiten.

Unter „Plattformen“, die reguliert werden sollen, fallen nur diejenigen Online-Angebote, die eine direkte Kommunikation zwischen ihren Nutzern ermöglichen, also z.B. Facebook, YouTube oder EBay. Online-Angebote, die ihren Nutzern einseitig Inhalte oder Dienstleistungen anbieten, beispielsweise die Video-Portale, sollen nicht von den geplanten Regelungen erfasst werden. Letztere ersetzen herkömmliche Offline-Geschäftsmodelle und folgen weitgehend den Regeln der traditionellen Geschäftswelt.
Im Gegensatz dazu weisen  Social-Media Plattformen ganz neue Merkmale auf, für die es Offline keine Entsprechung gibt. Die Interaktion der Nutzer erzeugt zum Beispiel eine Unmenge an Daten, die von den Plattformbetreibern ausgewertet und für ihre Zwecke eingesetzt werden können.

Die Kommission erkennt an, dass die meisten Plattformen derzeit aus den USA stammen, sieht aber noch Raum für Neugründungen in Europa, zum Beispiel in den Bereichen des autonomen Autofahrens, des Bankwesens, der Gesundheit (eHealth) usw. Die geplante Regulierung zielt darauf ab, bestmögliche Bedingungen für diese Potentiale zu bieten, aber auch die Anwendung der bestehenden Normen auf die marktmächtigen US-Plattformen sicherzustellen (Wettbewerbsrecht, Verbraucherschutz, Datenschutz, Informationssicherheit etc.).

Die Liste möglicher Maßnahmen ist also groß, das Urheberrecht stellt nur eine Facette von vielen Regelungsbereichen dar. Unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftsförderung ist zu verstehen, dass die Kommission die derzeitige eingeschränkte Verantwortlichkeit von Plattformbetreibern im Hinblick auf die von den Endnutzern hochgeladenen Inhalten dem Grunde nach nicht verändern will. Die Haftungsprivilegierung aus der „e-commerce“-Richtlinie soll nicht abgeschafft oder aufgeweicht werden. Sie besagt, dass Plattformbetreiber für die von Nutzern hochgeladenen Inhalte nicht haften.

Speziell mit Blick auf das Urheberrecht scheint die Kommission mit sektorspezifischen Regelungen zu liebäugeln, denn sie erkennt an, dass Plattformbetreiber einen wirtschaftlichen Vorteil aus der Tatsache ziehen, dass deren Nutzer urheberrechtlich geschützte Werke hochladen, ohne dass die Rechteinhaber davon profitieren. In diesem Zusammenhang spricht man nicht mehr von „user generated content“, sondern von „user uploaded content“. Die wenigsten Endnutzer werden selber kreativ und schaffen neue Inhalte.

Wie auch immer die sektorspezifischen Regeln aussehen werden, es geht der Kommission nur darum, dass Rechteinhaber einen „gerechten Anteil“ an der Wertschöpfung erhalten. Und die ist gering: neueste Zahlen der Musikindustrie belegen, dass werbefinanzierte Plattformen wie YouTube ein starkes Missverhältnis aufweisen zwischen massiver Nutzung und schwachen Erlösen. Würde man die Safe-Harbor Regelung aufgeben und die Plattformbetreiber haftbar machen für die von ihren Nutzern hochgeladenen Inhalte, so müssten diese Lizenzen erwerben: die Rechteinhaber könnten Konditionen verlangen, die das Betreiben der Plattformen unrentabel machen. So weit will die Kommission aber nicht gehen. Die Büchse der Pandora ist geöffnet und zurück bleibt bekanntlich nur die Hoffnung, in diesem Fall die Hoffnung der Rechteinhaber auf eine geringe Beteiligung an geringen Erlösen.