
Künstliche Intelligenz ist ohne Zweifel disruptiv und wird in vielen Arbeitsbereichen traditionelle Jobs überflüssig machen. Betroffen sind alle White-Collar-Bereiche, insbesondere – aber nicht nur – diejenigen, die wenige bis mittlere Qualifikationen voraussetzen. Wie jede neue Technologie wird auch KI neue Jobs schaffen oder bestehende effizienter machen. Wir stehen erst am Anfang der Entwicklung und die Unsicherheit ist groß.
Auch ich kann nicht in die Glaskugel sehen. Als Jurist weiß ich, dass spezielle KI-Anwendungen in Rechtsanwaltskanzleien bereits die Kärrnerarbeit übernehmen können, wenn auch unter Aufsicht. Beruflich erreichen mich viele Hiobsbotschaften aus den Arbeitsbereichen der Kreativen; positive Rückmeldungen sind noch verhalten.
Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums des Regieverbandes habe ich versucht, eine Momentaufnahme im Filmsektor aufzunehmen. Dabei wurde schnell deutlich, dass kurze Videoclips schon jetzt in ausreichender Qualität von generativer KI erstellt werden können. Die Schulnoten werden sich sicherlich im Halbjahresschritt verbessern: Im Herbst 2026 rechne ich spätestens mit sehr guter Qualität.
Bei den fiktionalen und dokumentarischen Langformaten gehe ich dagegen nicht davon aus, dass die KI gänzlich übernehmen wird denn reine KI-Erzeugnisse sind urheberrechtlich nicht geschützt. Das hat die WIPO, die Weltorganisation für geistiges Eigentum, in ihrem Research Paper 77/2024 für alle relevanten Rechtsordnungen festgestellt. Auch die Mitgliedstaaten der EU sehen Stand Dezember 2024 keinen Bedarf, KI-Erzeugnisse urheberrechtlich zu schützen. Warum also in ein Produkt investieren, das nach Veröffentlichung keinen Schutz genießt und jegliche Investition vergemeinschaftet?
Freilich wird generative KI den Produktionsprozess von Langfilmen dramatisch verändern, auch positiv: Beim Schnitt hat KI bereits seit längerem Arbeiten vereinfacht und so Zeit für den kreativen Prozess freigesetzt. Dieser Trend wird sich sicher verstärken. Schwer getroffen wird dagegen die Synchronbranche: Mitte Dezember 2024 startete mit „Black Dog“ der erste Kinofilm, dessen deutsche Synchronfassung komplett mittels KI-Stimmen erzeugt wurde – übrigens von einem Kölner Start-up, dem Audio Innovation Lab.
Wie gesagt, eine Glaskugel besitze ich nicht. Ich prophezeie aber, dass wir immer eine Regie benötigen: „Kunst ist die Kreativität der Regisseure“, sagt der Filmjournalist Rüdiger Suchsland und ich darf ergänzen: „Ein Kopf muss den Laden zusammenhalten.“
Auf dem Symposium des Regieverbands am 17. Februar wurde natürlich auch die Frage nach einer Vergütung gestellt: eine Vergütung für „den größten Diebstahl der Menschheit“, also das Trainieren der Algorithmen mittels aller menschengemachter Werke – auch Filmwerke –, die das Internet hergibt.
Machen wir uns nichts vor: Eine solche Vergütung, wenn sie denn kommt, wird stets nur einen kleinen Beitrag des Aufkommens von Filmschaffenden ausmachen. Der Löwenanteil muss nach wie vor im daily business erwirtschaftet werden. Aber auch kleine Zusatzgelder, wie zum Beispiel die Ausschüttungen der VG Bild-Kunst für Privatkopie und Weitersendung, summieren sich im Laufe der Jahre: Freiberufler sind auf alle Einkommensquellen angewiesen.
Dass eine KI-Vergütung für die Filmschaffenden nur fair wäre, steht außer Frage. Nach einer Studie der ALCS, der britischen Gesellschaft für Drehbuchautor*innen, vom August 2024 fordern ganze 96 Prozent der 13.500 Befragten eine Vergütung. Die European Copyright Society, ein unabhängiger think tank für europäische Urheberrechtspolitik, hält es für unabdingbar, dass eine faire Vergütung für Kreativschaffende als grundlegendes Prinzip im europäischen Urheberrechtskodex verankert wird.
Technische Weiterentwicklungen erfordern stets eine Anpassung des Urheberrechts. Bis es dazu kommt – die zeitliche Verzögerung geht zu Lasten der Rechteinhabenden –, werden Lücken und Löcher des bestehenden Regelsystems von Technologiefirmen ausgenutzt. In dieser Phase befinden wir uns derzeit. Löblich ist, dass finanzkräftige Rechteinhabende trotz dessen Gerichtsverfahren anstrengen, um so den Druck auf den Gesetzgeber zu erhöhen. Ausdrücklich will ich hier die GEMA nennen, die im November 2024 Open AI (ChatGPT) verklagte und im Januar 2025 den Anbieter Suno AI. Die VG Bild-Kunst unterstützt übrigens einen Fotografen in seinem Berufungsverfahren gegen LAION.
Wie könnte eine künftige Vergütung aussehen?
Zahlungen der Technologiefirmen könnten entweder an den Input anknüpfen, also an die Verwendung urheberrechtlich geschützter Werke zu Trainingszwecken. Oder sie knüpfen an den Output an, d. h., KI-Anbieter zahlen eine laufende Abgabe ähnlich der Geräteindustrie als Kompensation der Privatkopieschranke. Offensichtlich ist der zweite Ansatz der bessere, denn er generiert laufende Zahlungen, wenn auch pro Werk nur geringe. Der Input-Ansatz könnte höhere Einnahmen pro Werk bedeuten, die dann aber nur einmal bezahlt werden. Beim Output-Ansatz wäre es zudem möglich, alle Anbieter zur Kasse zu bitten, die in Europa Geschäfte tätigen – beim Input-Ansatz frage ich mich immer, wie wir chinesische KI-Firmen lizensieren sollen. Noch ein Vorteil des Output-Ansatzes sei genannt: Er verteuert KI-Erzeugnisse und macht damit menschlich geschaffene Werke zumindest etwas konkurrenzfähiger.
Best Case wäre natürlich eine Kombination beider Ansätze. Aber machen wir uns nichts vor: der Output-Ansatz steht derzeit nicht zur Debatte. Hierfür wäre auf jeden Fall eine massive Gesetzesänderung notwendig, die in Europa einen breiten Konsens voraussetzen würde. Dieser ist aber leider nicht in Sicht: Auf dem KI-Gipfel Anfang Februar in Paris dominierte das Thema, wie man den USA und China durch Deregulierung Paroli bieten könne. Die EU-Kommission plant sogar schon ganz konkrete bürokratieentlastende Schritte. Da braucht man sich keine Hoffnung machen auf neue Abgaben, zumindest kurzfristig nicht.
Konzentrieren wir uns im Weiteren also auf den Input-Ansatz: Was wäre notwendig, um diesen sauber umsetzen zu können?
Unter normalen Bedingungen würde der Gesetzgeber vielleicht eine urheberrechtliche Schranke zugunsten der Technologiefirmen einführen, die dadurch legal alle geschützten Werke zu Trainingszwecken verwenden könnten. Und zur Kompensation würde ein gesetzlicher Vergütungsanspruch geschaffen, zu administrieren über Verwertungsgesellschaften. Das wäre ein klassischer Kompromiss, in dem beide Seiten zurückstecken müssten, um in der Summe, also aus gesellschaftlicher Sicht, ein besseres Ergebnis zu erzielen.
Wie beim Gefangenendilemma beharren die Stakeholder derzeit aber auf ihren Maximalpositionen: Die Technologiefirmen wollen gar nichts bezahlen und stützen sich auf die Lücken und Löcher der bestehenden Rechtsordnung: fair use in den USA und die vergütungsfreie Text- & Datamining-Schranke in der EU. Die Rechteinhabenden wiederum hoffen, diese Lücken umgehen zu können und dann selbstbestimmt zu lizenzieren (was allenfalls großen Global Playern, zum Beispiel aus der Musikindustrie, gelingen könnte).
Der oder die einzelne Kreativschaffende wird bei diesem Ansatz erst einmal gar nichts bekommen, aber die volle Härte des Technologiesprungs im eigenen Arbeitsleben ertragen müssen. Einzelne setzen auf ein Opt-out, also darauf, ihre Werke dem KI-Training zu entziehen. Das ist natürlich reines Wunschdenken, denn das meiste Training ist eh schon geschehen und: Was ich in den USA und in China nicht durchsetzen kann, kann ich auch gleich sein lassen.
Letztlich scheitert der oben beschriebene Kompromiss am Unwillen oder Unvermögen des EU-Gesetzgebers, sich für die Kreativen einzusetzen. In einer Positionsbeschreibung der EU-Länder zum Thema „KI und Urheberrecht“ vom 20. Dezember 2024 weist die EU-Kommission darauf hin, dass die Mehrheit der Länder einen AI-Copyright-Act derzeit für unnötig hält.
Ohne Kompromisslösung bleibt somit die Lizenzierung als Instrument übrig. Auch hier könnte man innovative Instrumente einsetzen, wie zum Beispiel die 2021 in Deutschland eingeführte Möglichkeit einer Erweiterten Kollektivlizenz. Verwertungsgesellschaften wird es ermöglicht, für Sachverhalte, bei denen sie als repräsentativ gelten, das Weltrepertoire anzubieten. Das wiederum hilft enorm, die kollektive Rechteverwaltung sinnvoll und einfach aufzusetzen.
Spanien ist hier vor kurzem vorgeprescht mit einem royal decree, also einer Verordnung der Regierung. Diese wollte es den heimischen Verwertungsgesellschaften ermöglichen, KI-Technologiefirmen erweiterte Kollektivlizenzen anzubieten. Weil man sich – anders als es derzeit in den USA gehandhabt wird – auf die Zuständigkeitsprärogative des Parlaments besonnen hatte, wurde die Verordnung bzw. deren Entwurf allerdings zurückgezogen.
Die VG Bild-Kunst ist in Deutschland Vorreiterin für erweiterte Kollektivlizenzen. Wir bieten den Social-Media-Plattformanbietern an, ihre seit 2021 bestehende Lizenzlücke im Bildbereich mittels einer Unterschrift zu beseitigen. Könnten wir dieses Instrument auch für die Filmschaffenden gegenüber den KI-Technologiefirmen in Stellung bringen? Immerhin lassen wir uns seit Sommer 2024 von allen unseren Mitgliedern der Berufsgruppe Film entsprechende Rechte im Wahrnehmungsvertrag übertragen.
Eine solche Vorgehensweise wäre allerdings – anders als im Bildsektor – mit großen rechtlichen Risiken behaftet: denn das Urheberrecht erzwingt gegenüber Filmurheber*innen, dass diese ihre Rechte stets vollumfänglich den Filmproduzent*innen einräumen. Die Filmproduzent*innen sollen sinnvollerweise in die Lage versetzt werden, das fertige Produkt mit all seinen Rechten zu vermarkten. Ob das Recht zum KI-Training von dieser erzwungenen Rechteübertragung umfasst ist, kann man zwar bezweifeln. Aber darauf eine erweiterte Kollektivlizenz aufzusetzen, wäre fahrlässig.
Im Ergebnis sieht es somit düster aus für die Filmschaffenden: Sollte Lizenzierung die einzige Option sein, Vergütungen für die Verwendung von Filmen zum KI-Training zu erhalten, könnte dies bedeuten, dass sie leer ausgehen. Im Musik-, Text- und Bildbereich mag es grundsätzlich möglich sein, über Verhandlungen oder Klagen ins Spiel zu kommen. Filmurheber*innen und Schauspieler*innen haben diese Möglichkeit derzeit nicht.
Somit kommen wir nicht umhin, Forderungen an den deutschen Gesetzgeber zu stellen:
- Die Leistungen von Filmurheber*innen und Schauspieler*innen müssen kompensiert werden, wenn ihre Filme für KI-Training verwendet werden.
- Hierfür ist es notwendig, dass ihnen der Gesetzgeber einen Direktvergütungsanspruch einräumt, der von Verwertungsgesellschaften administriert wird.
- KI-Training ist nur eine Baustelle: Wir benötigen diesen Direktvergütungsanspruch auch für die verschiedenen Formen der Onlineauswertung von Filmen.
In Umsetzung der DSM-Richtlinie der EU aus dem Jahr 2019 hatte der deutsche Gesetzgeber den Filmschaffenden (und anderen) bereits einen solchen Direktvergütungsanspruch eingeräumt – in § 4 Abs. 3 des Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetzes (UrhDaG). Dessen belgisches Pendant wird derzeit vom Europäischen Gerichtshof auf seine Rechtmäßigkeit hin überprüft. Sollte das Gericht grünes Licht geben, so sollte eine neue Bundesregierung handeln.