Reform des Urheberrechts im Bereich Bildung und Wissenschaft

Am Freitag dem Dreizehnten wurde die geleakte Fassung des Referentenentwurfs bekannt – es handelt sich dabei noch nicht um die endgültige Version, da der Entwurf erst noch mit den Ressorts abgestimmt werden muss. Aber der geleakte Entwurf lässt erkennen, welche Vorstellungen das Justizministerium zum Schrankensystem für den wissenschaftlichen Gebrauch hat, so dass wir uns eine erste vorsichtige Stellungnahme erlauben.

Der Entwurf will vor allen Dingen die im Urheberrechtsgesetz verstreuten Regelungen zum Gebrauch geschützter Werke im Bildungs- und Wissenschaftsbereich systematisieren und vereinfachen. So weit wie möglich sollen unbestimmte Rechtsbegriffe durch klare Tatbestände ersetzt werden. Die Bemühung um Transparenz hat zu einem guten Ergebnis geführt: die verstreuten einzelnen Vorschriften werden nun in einem eigenen Unterabschnitt 4 („Gesetzlich erlaubte Nutzungen für Unterricht, Wissenschaft und Institutionen“) zusammengefasst und nach den einzelnen begünstigten Nutzern „sortiert“. Damit wird es für den juristischen Laien deutlich einfacher, durch einen „Blick in das Gesetz“ zu sehen, welche Nutzungen erlaubt sind – und welche nicht.

Der Entwurf setzt auf starke Verwertungsgesellschaften. Die Schranken sind vergütungspflichtig und die Vergütungsansprüche können nur von Verwertungsgesellschaften geltend gemacht werden. Vergütungen werden kollektiv verhandelt. Dabei wird vermutet, dass sie die Rechte aller Rechtsinhaber wahrnehmen – nicht nur die ihrer Mitglieder. Das ist einerseits für die begünstigten Institutionen - Schulen, Universitäten, Bibliotheken und Archive - wichtig, weil damit Rechtssicherheit gegeben wird. Es schützt andererseits auch die Urheber davor, dazu „überredet“ zu werden, die Nutzung einzelner Werke unvergütet zu lassen. Und es reduziert den Verwaltungsaufwand aller Beteiligten.

Wichtig ist auch: Der Entwurf geht davon aus, dass die Verwertungsgesellschaften auch künftig die Verlage an den Erlösen beteiligen können. Damit knüpft er an die gesetzliche Korrektur der jüngsten BGH-Rechtsprechung an, die im Dezember 2016 an das Gesetz zur Reform des Urhebervertragsrechts angeknüpft worden war.

Jedoch sieht der Entwurf auch Wermutstropfen für Verlage vor: Bei den 2002 eingeführten Schranken zugunsten von Lehre, Unterricht und Forschung war es den Verlagen gelungen, die Gesamtverträge, die die Verwertungsgesellschaften mit den Bundesländern geschlossen haben, einzuschränken auf solche Publikationen, für die kein angemessenes Lizenzangebot bestand. Diese Konstruktion, die für die Verlage wirtschaftlich sinnvoll, aber rechtsdogmatisch schon immer schwer zu begründen war, soll nach dem Referentenentwurf nicht mehr möglich sein. Jetzt soll gelten: Wo eine gesetzliche Schranke greift, ist kein Raum für abweichende vertragliche Vereinbarungen.

Und auch einem weiteren Verlangen der Verlage erteilt der Entwurf eine Absage: Bei Pauschalvergütungen soll es ausreichend sein, die Nutzungen über Stichproben zu er-fassen; die Verwertungsgesellschaften sollen keine Einzelwerk-Meldungen verlangen können. Diese Position hat die VG Bild-Kunst gerade im Hinblick auf § 52a UrhG („Intranetze an Hochschulen“) immer vertreten, denn die Kernkompetenz der Verwertungsgesellschaften ist ja gerade die Verteilung von Pauschalvergütungen.

Auch die sogenannte Bereichsausnahme für Schulbücher soll entfallen. Schulbücher sind bislang aus der generellen gesetzlichen Erlaubnis des Kopierens an Schulen ausgenommen und die Verlage können in Ausübung ausschließlicher Nutzungsrechte lizenzieren. Doch es gibt auch deutliche Erleichterungen für Verlage in diesem Bereich: der Erwerb von Lizenzen für Schul- und Lehrbücher wurde deutlich erleichtert, auch wenn der Umfang der Übernahme mit 25% sicher etwas zu hoch gegriffen ist.

Für den Bildbereich gibt es zwei Besonderheiten, um die es sicherlich Diskussionen geben wird:

So sieht es aus, als habe man einerseits  das bisherige Katalogbildprivileg abgeschafft – und andererseits die Verbreitungsrechte zu weit ausgedehnt: zulässig soll jetzt  die uneingeschränkte Verbreitung von Vervielfältigungen „im Zusammenhang mit der öffentlichen Ausstellung eines Werkes“ sein– das können dann auch lustige Kühlschrank-Magneten oder Kaffeetassen mit Werk-Reproduktionen sein, was nur schwer gewollt sein kann. Eine (eigene) Vervielfältigung durch Museen, Bibliotheken, Archive ist allerdings nur in den engen Grenzen des geplanten § 60e Abs. 1 zulässig, nämlich zur Indexierung, Katalogisierung, Erhaltung und Restaurierung – also zunächst nur für rein interne Nutzungen.

Wenn allerdings mit dem Begriff der „Katalogisierung“ in § 60a des Entwurfes das Her-stellen von Katalogen gemeint sein soll, dann ist das im Entwurf gewählte Verweissystem unglücklich, denn zur Frage, „Was ist ein Katalog?“ gibt es umfangreiche Rechtsprechungen und der Begriff des „eigenständigen Erwerbszwecks“ in § 58 Abs. 2 UrhG liegt gerade den Gerichten zur Klärung vor. Wenn also eine Beibehaltung der Katalogbildfreiheit angestrebt ist, dann sollte der jetzige § 58 Abs. 2  UrhG unverändert als eigener Absatz in § 60f aufgenommen werden – gegebenenfalls erweitert um die Archive als (weitere) Berechtigte.

Problematisch ist auch, dass im Rahmen des Zitatrechts nicht nur das zitierte Werk genehmigungsfrei genutzt werden können soll, sondern auch die Abbildung des Werkes. Diese Forderung wird seit Langem von Seiten der Wissenschaft erhoben. Der Gedanke mag einleuchten bei einfacher Repro-Fotografie, die ohnehin nur als einfaches Lichtbild geschützt ist. Bei solchen Abbildungen wird in der Regel der Fotograf nicht genannt – und damit entfällt de facto die Möglichkeit ihn zu ermitteln. Allerdings ist das Fotografieren von Skulpturen – und erst recht von Performances – durchaus mehr als nur reine Handwerksarbeit, denn es ist regelmäßig von der eigenen Handschrift des Fotografen geprägt. Bei solchen Aufnahmen hat das Foto Werkqualität. Und da ist es nicht gerechtfertigt, den Fotografen, der ja häufig die einzige Abbildung eines Werkes geschaffen hat, „kalt“ zu enteignen.

Fazit: Der Entwurf ist insgesamt gelungen, aber beim Zitatrecht (Erstreckung auf Werkabbildungen) und der Frage der Katalogbilder sind Korrekturen erforderlich. In beiden Bereichen soll der Umfang der unvergütet zulässigen Nutzung erweitert werden, was die Bildurheber besonders trifft, denn für die Nutzung ihrer Werke gibt es besonders viele unvergütete Schrankenregelungen: aktuelle Berichterstattung bei Ausstellungen, die vollständige (und nicht nur ausschnittsweise) Wiedergabe des Werkes im Rahmen des Zitatrechts, Katalogbildfreiheit und Panoramafreiheit für Werke im öffentlichen Raum.