Lizenzierung Plattformen

Die Urheberrechtsreform befindet sich auf der Zielgeraden. Während sich die Diskussion in den letzten Wochen vor allem mit den lautstark vorgetragenen Bedenken der Musikindustrie befasst hat, kann man dem Projekt aus dem Blickwinkel des Bildsektors auch positive Aspekte abgewinnen. Denn die Reform eröffnet die Möglichkeit für neue und moderne Kollektivlizenzen, die den Interessenausgleich der Stakeholder herzustellen vermögen – besser als es das Gesetz selbst vermag.

Seit mehr als einem Jahr wird über die Umsetzung der neuen EU-Gesetze zum Urheberrecht in Deutschland diskutiert. Während einige unserer Nachbarländer einfach den Wortlaut der Richtlinie in ihr nationales Urheberrecht übernehmen, versucht sich Deutschland in einem großen Wurf zugunsten der Nutzer*innen von Social-Media-Plattformen. Die Regierung und insbesondere das SPD-geführte Justizministerium sehen sich in der Pflicht, die von Google, YouTube und Julia Reda in Misskredit gebrachten Uploadfilter zu verhindern, die diese allerdings schon jahrelang einsetzen, um uns Hollywood-Spielfilme und nackte Haut vorzuenthalten. Also das Material, das die breite Masse wahrscheinlich mehr interessieren dürfte als hier und da einen geblockten Song, der ohne Rechteklärung als Hintergrund zu einem User-generated Content hochgeladen wurde.

Die von der Bundesregierung vorgeschlagene Lösung sieht ein filigranes Verfahren vor, nach dem Rechteinhaber*innen und Nutzer*innen in Fällen von „geringfügiger Nutzung“ nicht lizenzierter Werke erst einmal ein Beschwerdeverfahren durchlaufen müssen, bevor ein nicht lizenzierter Inhalt vom Netz genommen wird. In diesem Verfahren soll geprüft werden, ob das Werk zulässigerweise auch ohne Lizenz hochgeladen werden durfte, was der Fall ist, wenn es sich bei dem Inhalt um eine Parodie, ein Zitat oder ein Pastiche handelt. Die Beschwerdekommissionen der Plattformen werden schon herausfinden, was ein Pastiche ist. Grundsätzlich soll also gelten: Die Interessen der Nutzer*innen gehen vor.

Dieses Prinzip kann man grundsätzlich kritisieren – die Franzosen lassen die Interessen der Urheber*innen vorgehen. Man kann zusätzlich kritisieren, dass Fotos und auch alle anderen Bildwerke (Illustrationen, Design, Karikaturen, Comiczeichnungen, bildende Kunst) den Stempel der Geringfügigkeit aufgedrückt bekommen, weil sich das Justizministerium nicht davon hat abbringen lassen, die Grenze der Geringfügigkeit eines Bildes in Kilobyte und nicht in Pixeln festzulegen. Was haben sie sich dabei gedacht? Nicht lizenzierte Filme und Songs bleiben künftig im Uploadfilter hängen, wenn sie die Mindestlänge von 15 Sekunden überschreiten – Bilder nur, wenn ihre Datei mehr als 125KB aufweisen sollte, was die Plattformbetreiber*innen hübsch zu verhindern wissen werden. In der Folge werden alle Bilder als „geringfügig“ zu klassifizieren sein und können deshalb so lange lizenzfrei gezeigt werden, bis sich jemand beschwert.

Hinter der Diskriminierung des Bildsektors steckt wohl die Legende der Plattformbetreiber*innen, dass der Bildsektor nicht zu lizenzieren sei, zu kleinteilig, zu fragmentiert. Aber das Justizministerium hätte es besser wissen müssen: denn die Urheberrechtsreform in Deutschland muss auch ein weiteres Instrument aus Brüssel einführen: die erweiterte Kollektivlizenz.

Von dieser neuen Möglichkeit wird die Bild-Kunst Gebrauch machen. Gemeinsam mit den Repertoires der in Deutschland tätigen Bildagenturen und der Repertoires ihrer Schwestergesellschaften im Ausland wird sie den Plattformen ein repräsentatives Bildrepertoire anbieten können. Dieses Repertoire wird dann über den Mechanismus der erweiterten Kollektivlizenz auf Außenseiter erstreckt. Damit wird die neue Plattformlizenz per Gesetz im Ausgangspunkt 100% des hochgeladenen Bildmaterials ausmachen.

Von einer Zwangslizenz kann man allerdings nicht sprechen. Denn allen Werkschöpfer*innen und Repertoirehalter*innen im Bildbereich steht es offen, den Weg des opt out zu gehen und ihre Werke aus der Kollektivlizenz auszunehmen. Dafür mag es Gründe geben, z. B. wenn man ein Bildwerk an jemanden exklusiv lizenzieren will. Die Kollektivlizenz dreht nur die Verfahrensweise um: nicht die Bild-Kunst muss aktiv werden, um alle Rechte einzusammeln, sondern die Außenseiter müssen aktiv werden, wenn sie ihre Werke ausschließen wollen. Bei der erweiterten Kollektivlizenz handelt es sich also um die perfekte Lösung für kleinteilige und fragmentierte Märkte.
Wenn den Plattformbetreiber*innen hiermit Rechtssicherheit verkauft werden kann, zählt deren Argument nicht mehr, dass der Bildsektor „nicht zu lizenzieren sei“. Das Gegenteil wird der Fall sein – mit nur einer Unterschrift wird der Bildsektor zu lizenzieren sein – jedenfalls mit weniger Aufwand als im Film- oder Musiksektor.

Warum war diese elegante Lösung in der bisherigen Debatte nicht präsent?

Dass die Plattformen daran kein Interesse haben, liegt auf der Hand: Nach ihrer Vorstellung sollen die milliardenfachen Bildnutzungen nichts kosten. Ohne die Bild-Kunst Lizenz müsste zwar ein Beschwerdeverfahren eingerichtet werden, was aber getrost als Lästigkeitsprämie abgetan werden kann. Dagegen müssen nach dem Bild-Kunst Modell nun 100% der Bildnutzungen bezahlt werden (allerdings ohne die Masse der von Privaten hochgeladenen „Urlaubsfotos“ und ohne die von gewerblichen Nutzer*innen hochgeladenen Bildwerke). Das wird dann keine Bagatelle mehr sein, zumal wir von bildintensiven Plattformen eine prozentuale Beteiligung vom Umsatz verlangen werden.

Dass das Justizministerium und die Wissenschaft die Lösung bislang nicht auf dem Schirm haben, mag daran liegen, dass die Bild-Kunst bislang nur im Kunstbereich Erstrechte lizenziert hat. Im sonstigen Bildsektor werden momentan nur die gesetzlichen Vergütungsansprüche lizenziert.

Bald wird sich die Erkenntnis durchsetzen: Plattformnutzungen und Bildwerke bilden ein perfektes Beispiel für sinnvolle kollektive Rechteverwaltung: die Urheber*innen erhalten Geld, die Nutzer*innen können nahezu alle Werke verwenden und die Plattformbetreiber*innen erhalten Rechtssicherheit mit geringem Transaktionsaufwand.